Verstrickungsraten und Auswirkungen auf die Population


Um Folgen für die Populationsentwicklung abschätzen zu können, sollen ganzjährig zwischen Oktober 2018 und September 2020 durch künstliches Nistmaterial verstrickte Individuen im NSG „Lummenfelsen“ erfasst werden. Basstölpel und Trottellummen verstricken sich im künstlichen Nistmaterial und verenden in den meisten Fällen, da sie sich nicht aus den Plastikrückständen befreien können. Bereits mehrfach wurden im Sommerhalbjahr Erfassungen der verstrickten Seevögel sporadisch durch das Institut für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" und regelmäßig seit 2014 durch das FTZ im Rahmer zweier F&E-Vorhaben, finanziert durch das Umweltbundesamt (2014-2016: "Kohärentes Monitoring der Belastungen deutscher Meeres-und Küstengewässer mit menschlichen Abfällen und der ökologischen Konsequenzen mit weiterem Fokus auf eingehender Identifizierung der Quellen“, UFOPLAN 2014; 2017-2021: "Folgebewertung und Etablierung einer Langzeitüberwachung der Belastung verschiedener Meeresbereiche und Biota durch marine Abfälle (Meeresmüll)", UFOPLAN 2017) in der Helgoländer Kolonie vorgenommen. Das vorhandene Datenmaterial soll überprüft und durch oben beschriebene Erfassungen ergänzt werden. Trottellummen besuchen ab Ende Oktober unregelmäßig die Brutfelsen. Zu dieser Zeit sind die Basstölpelnester nicht besetzt, so dass die Vögel noch näher an die Basstölpelnester herankommen und damit die Verstrickungsgefahr steigt. Jeden Winter sterben so eine relativ hohe Anzahl an Trottellummen, quantitative Angaben hierzu fehlen jedoch bisher völlig.

Über die Auswirkungen von Plastikmüll als Nistmaterial auf Seevogelpopulationen ist wenig bekannt. Aus diesem Grund sollen in dieser Forschungsarbeit die erfassten Verstrickungsraten in ein zu entwickelndes Populationsmodell einfließen, um zu schauen, welchen Effekt die Verstrickung auf die Population hat oder bei steigender Verstrickung in Zukunft haben wird.

Erfassung

Im Erfassungszeitraum von Oktober 2018 bis September 2020 wurde in neun Testflächen drei mal in der Woche mit immer der gleichen Methode die Verstrickung von Seevögeln in Plastikmüll erfasst.

Erfassungsdaten:

  • Datum der Verstrickung, Datum des Todes eines Individuums/Datum der Befreiung eines Individuums, Vogelart, Anzahl der Individuen betroffener Arten, Zustand des Vogels, Art des Plastiks in welchem der Vogel verstrickt war, Farbe des Plastiks, Körperteil der Verstrickung, Datum wann der Vogel nicht mehr im Felsen zu sehen war


Ausblick

  • Wissenschaftliche Veröffentlichung zur Methodik der Erfassung und den Ergebnissen der Feldarbeit im Erfassungszeitraum
  • Entwicklung eines Populationsmodells (wissenschaftliche Veröffentlichung und Betreuung einer Master-Arbeit)



Erste Ergebnisse

Arten und Verteilung
Betroffene Seevogelarten der Verstrickung sind der Basstölpel, die Trottellumme und mit wenigen einzelnen Individuen die Dreizehenmöwe. Die Verstrickungshotspots sind an den Stellen, wo sich die Brutplätze von Trottellumme und Basstölpel überschneiden (siehe Graphik). Auf dieser "Heatmap" ist exemplarisch für eine Untersuchungsfläche die Dichteverteilung der Verstrickung dargestellt. Je dunkler die Farbe, umso mehr Verstrickung wurde in diesem Bereich erfasst.

Anzahl der Verstrickungen
Im Erfassungszeitraum wurden deutlich mehr verstrickte Individuen erfasst, als dies zu erwarten war. Die erstmalig in diesem Detail erhobenen Verstrickungsdaten ergaben u. a.folgende Ergebnisse:

Basstölpel: 40-60 Verstrickungen pro Jahr
Trottellumme: ca. 100 Verstrickungen pro Jahr


Peak der Verstrickung Basstölpel: Juli-September
Peak der Verstrickung Trottellumme: April-Juni

Saisonale Verteilung der Verstrickung
Erstmalig wurde ganzjährig die Verstrickung in der Seevogelkolonie bestimmt. Entsprechend gibt es keinerlei Daten zu Verstrickungsopfern im Winter. Die Trottellummen besuchen zu sogenannten "Prospektionsflügen" auch im Winterhalbjahr in unregelmäßigen Abständen den Felsen. Das Ergebnis: Ein nicht geringer Anteil der jährlichen Verstrickung bei der Trottellumme entfällt auf das Winterhalbjahr:

Anteil Verstrickung Trottellumme im Winter:
Winter 2018/19: 29,73 %
Winter 2019/20: 28,42 %